Was kostet ein Schnips-Gummi?
Der Materialaufwand ist gar nicht zu berechnen, den am Samstag die Reparatur eines Radiokassettenspielers in der Babelsberger MachBar gekostet hat. Unter einem Cent dürfte er liegen; die Arbeitszeit ist hier ja kostenlos. Malina Hindenburg und Rafael Müller haben das Gerät von einem Sperrmüllhaufen in Berlin-Tempelhof mitgenommen für ihren Sohn Thor (4). „Musik- und Tonkassetten finde ich viel besser als CDs“, sagt die Mutter: „Sie sind haltbarer; das Kind sieht die Bewegung beim Abspielen, und man kann sie auseinander schrauben.“
Das tut der Vater dann auch zusammen mit Frieder Knabe von der MachBar des Wissenschaftsladens Potsdam im FreiLand Babelsberg auf der Suche nach einem vermutlich mechanischen Fehler. Alle Knöpfe schalten, das Radio geht, aber die Kassetten drehen sich nicht. Der Motor? Knabe grübelt: „Das sieht so aus, als könnte man den nicht ausbauen. Und wenn doch, bekommt man für so ein altes Gerät vermutlich keinen neuen Motor mehr.“ Doch dann entdecken sie ein dünnes schwarzes Etwas, das da von einem Antriebsteller abgerutscht ist: Ein Keilriemen! Sie fädeln ihn wieder in die Riefe des Tellers – und er reißt. Spröde, nichts zu machen.
Hmm, der Motor des Kassettenlaufwerks ist nicht der Grund, dass die Kassetten sich nicht drehen. Der Motor nämlich dreht. Quelle: Bernd Gartenschläger
Was nun? Man könnte eine ganz dünne Scheibe aus einem Fahrradschlauch herausschneiden und damit einen Gummiring bekommen, schlägt Knabe vor. Oder man findet einfach einen Gummiring, einen Schnipsgummi! „Immer, wenn man sowas Einfaches braucht, ist es nicht da“, ärgert sich Knabe. Doch irgendwo findet sich dann doch einer; sie ziehen ihn über das kleine Keilrad des Motors und das große am Kassettenantrieb – und es geht! Alle sind glücklich.
Nur ein Mikroschalter hat versagt
Gar nicht glücklich ist an diesem Nachmittag eine Dame, die mit einem teuren Kaffeeautomaten kommt. Rund 1600 Euro hat der Alleskönner mal gekostet und war in vier Jahren schon drei Mal kaputt. Die leidenschaftliche Kaffeetrinkerin hatte vorher eine „jura“-Maschine, die 15 Jahre treue Dienste tat. Diesen Typ eines anderen Markenherstellers würde sie nie wieder kaufen.
Sie hat das Gerät bei der ersten Panne zum Produzenten geschickt, der ihr pauschal schon vorab 250 Euro abknöpfte für die Bearbeitung. Beim zweiten Aus ging sie zur Machbar; eine Weile funktionierte es. Jetzt signalisiert die Maschine, die elektronische Verriegelung der Wartungsklappe funktioniere nicht; doch ohne Verriegelung geht gar nichts los.
Kleines Problem, riesige Wirkung
Knabe, der eigentlich Grafiker ist und sich das Elektronische autodidaktisch angeeignet hat, ist sich recht sicher, dass eine Mikroschalter versagt hat, man diesen aber ausbauen und einen neuen bestellen kann. „Diese Maschinen sind gut dokumentiert. Es gibt Anleitungen zum Reparieren.“ Die Aussicht ist groß, dass das teure Gerät zu reparieren ist. Die Kundin hat für die Werkstattmacher schon mal Pfannkuchen mitgebracht und will sich im Erfolgsfall auch finanziell erkenntlich zeigen in Form einer Spende für Material und Gerätschaften.
Mehr Mut zur Selbsthilfe!
„Wir möchten den Menschen Mut machen, Dinge nicht wegzuwerfen, wenn irgendwas nicht geht“, sagt Knabe. „Man kann sehr vieles wieder hinbekommen, wenn man ein wenig technischen Verstand hat. Wir helfen den Leuten hier, sich selbst zu helfen.“ Carsten Natzke, von Hause aus Fachinformatiker, tut das gerade mit Christoph Müller aus der Lennéstraße. Der hat einen Laptop mitgebracht, der sich dauernd überhitzt und dann abschaltet.
Alter Laptop wird zu heiß
Schnell tippt man auf Staub, den das Kühlungsgebläse ansaugt, der sich im Gerät aber überall absetzt und dann den Prozessor zu heiß werden lässt. Müller setzt sich eine Lupenbrille auf und schraubt das Gerät auseinander. Als Elektromaschinenbauer hat er keine Scheu davor und sortiert alle rausgedrehten Schräubchen auf einem Magnet-„Brett“, das ein aufgedrucktes Gitter hat: für jede Schraube ein Feld.
Christoph Müller schraubt seinen alten Laptop auseinander, vor sich eine Magnettafel für all die verschiedenen Schrauben, die er herausdrehen muss. Quelle: Rainer Schüler
Schließlich reinigen die beiden Männer die Lüftungseinheit, schmieren eine Kontaktpaste auf eine bestimmte Stelle und bauen alles wieder zusammen. „Wenn wir die Temperatur um fünf Grad runterkriegen, sind wir gut“, sagt Natzke. „Hauptsache, der geht nicht wieder so schnell aus“, sagt Müller. „Naja“, kontert Natzke: „Mit den Jahren werden die Prozessoren aber auch ohne Staub heißer und arbeiten langsamer.“
Fast jede Art Heimelektronik
Man befasst sich in der MachBar mit fast jeder Art von Heimelektronik, erzählt Knabe: „Wasserkocher, Toaster, Kaffeemaschinen sind die häufigsten, aber auch Laptops, Computer, Handys und Telefone.“ Nur strahlen darf es nicht; von Mikrowellen lassen sie also die Finger. Bei Handys liegt es oft an den Akkus. Neuerdings sind die nicht mehr wechselbar, weil sie in als wechselbares Teil mehr Platz im Gehäuse brauchen, für Kabel und Steckverbindungen. Eingeklebte Akkus bedeuten aber dann das Aus fürs ganze Handy, wenn sie nicht mehr auf nennenswerte Ladung kommen.
Die MachBar ist gerüstet für die meisten Probleme. Quelle: Bernd Gartenschläger
Waschmaschinen oder Kühlschränke bringt ihnen keiner, obwohl sie sich die auch ansehen würden, sagt Knabe. Doch es bringen immer wieder Leute ihre Fahrräder, und an denen kann man von den Bar-Machern sehr viel lernen.
MachBar Potsdam ist die letzte Hilfe
„Wir versuchen alles, geben aber keine Garantie“, sagt Knabe: „Wenn das Ding zu Hause wieder den Geist aufgibt oder sogar ein Kurzschluss entsteht, sind wir nicht verantwortlich.“ Aber die meisten Kunden sind hochzufrieden, wenn ihr Gerät noch eine Weile weitermacht. Sowas wie der teure Kaffeeautomat kauft man ja nicht mal eben so schnell neu. Und, wie gesagt: Die Maschine geht ja, nur die Klappe geht nicht zu.
Von Rainer Schüler